Als ich meine Reise nach Skane antrete, weiß ich quasi nichts über diese Ecke Schwedens – und das, obwohl die Gegend um Malmö Deutschland von allen Regionen Schwedens am nächsten liegt. „Das Problem ist, dass alle Touristen nordwärts reisen,“ erzählt mir eine Einheimische am ersten Abend. Das bedeutet: Skane ist oft Ausgangspunkt für Roadtrips und Erkundungstouren, aber selten selbst Thema und Ziel einer Reise. Diese Tatsache ist übrigens auch der Grund meines Besuchs. Ich habe den Auftrag, die Region fotografisch zu dokumentieren, damit sie in Deutschland beworben werden kann. Ich bin also beruflich hier. Das hat den großen Vorteil, dass ich in sechs Tagen Skane so viel sehen kann, wie in „normalem“ Tempo in zwei Wochen. Und nach diesen sechs Tagen steht für mich fest: Von dieser Region muss Deutschland tatsächlich erfahren. Deshalb schreibe ich diesen Artikel – auch, um für mich all die „Hidden Gems“ von Skane festzuhalten. Denn ich will bald wieder hinfahren.
Skane bezeichnet sich selbst als die Feinschmecker-Region Schwedens. Nirgends, so sagen uns die Menschen dort, sei die Dichte an erstklassigen Restaurants so hoch wie dort. Nirgends sei der Anspruch an Kulinarik so ausgeprägt wie in Südschweden. Auch wenn ich von Schweden noch weit nicht alles gesehen habe: Ich kenne das Land mittlerweile ein wenig und habe hier schon oft sehr gut gegessen – bisher aber nur (wie die meisten) weiter im Norden. Das Selbstbild Skanes als ausgewiesene Genießer-Region macht mich vor diesem Hintergrund natürlich doppelt neugierig. Was kann das kleine Skane in Sachen Gastronomie auffahren? Die kommenden sechs Tage werden mir einen ersten Eindruck verschaffen und – das kann ich vorweg nehmen – diesen Anspruch bestätigen.
Weil eine Reise natürlich nicht aus 24 Stunden Essen und Trinken bestehen kann, verfolgt dieser Artikel das Ziel, die Highlights meiner Reise zu bündeln mit einem Fokus auf Kulinarik, ohne ein spannendes Begleitprogramm zu vernachlässigen. Auch muss ich als Disclaimer vorneweg schicken: Wir haben nicht ganz Skane bereist, sondern vor allem den südlichen Teil und von dort aus bis hinauf zur Insel Ven. Wir reisen also einmal von Malmö nach Falsterbo – von dort aus über Smygehuk und Dalby in Richtung Lund und dann nach Ven. Los geht’s!
Anreise nach Skane
Skane ist am einfachsten über Kopenhagen zu erreichen. Dänemarks Hauptstadt ist aus allen Richtungen gut anfliegbar und liegt lediglich 20 Zugminuten von Malmö, der Hauptdtast Skanes entfernt. Der Zug fährt direkt vom Flughafen aus nach Malmö Hauptbahnhof. Von dort aus setzen wir die Reise mit einem Mietwagen fort. Doch bevor wir Malmö verlassen, beradeln wir die Stadt noch für einen kurzen Eindruck.
Fahrräder kann man sich zum Beispiel am Oh Boy Hostel leihen, sofern man dort auch übernachtet. Wer also am Tag der Ankunft eine Nacht in Malmö bleiben will, kann Leihfahrrad und Übernachtung hier perfekt verbinden. Das neu errichtete Hostel ist ein Wohnprojekt eines deutschen Architekten, der in einem Hochhaus im Hafenbezirk Kurzzeit-Mietwohnungen für Studentinnen und kleine Hostel-Zimmer in einem Gebäude verschmolzen hat. Der Schwerpunkt liegt dabei auf nachhaltiger Wohn- und Lebensweise, weshalb zu jeder Zimmerbuchung automatisch ein Fahrrad mitgeliefert wird. Die Zimmer sind modern aber minimalistisch eingerichtet.
Ein Tag Malmö
Was wir in drei Stunden mit dem Fahrrad in Malmö erleben, kann man (etwas entspannter) auch gut an einem Nachmittag + Abend unterbringen. Wir starten unsere kleine Fahrradtour am Oh Boy Hostel und passieren den „Turning Torso“, den mit 190m höchsten Wolkenkratzer Skandinaviens und gleichzeitig das dritthöchste Wohnhaus Europas.
Nur wenige Hundert Meter weiter landen wir an der Sundspromenade. Hier haben sich viele Restaurants angesiedelt, mit Blick aufs Wasser in Richtung Kopenhagen und auf die knapp 8 Kilometer lange Öresundbrücke – eine Brücken-Tunnelkonstruktion, die Schweden und Dänemark verbindet. Auch im Oktober gehen hier noch viele Schweden baden, trotz Wassertemperaturen von etwa 14 Grad.
Apropos baden: Von der Promenade erreicht man in 10 Gehminuten das Ribersborgs Kallbadhus. Ein 300 Meter langer Steg übers Meer führt hinüber zum traditionsreichen Badehaus, das für viele Einheimische ein klassisches Wochenend-Ritual bereithält: Sauna und dann ein Sprung ins eiskalte Meer. Badehäuser werden wir in Skane noch einige sehen und auch spüren, im Ribersborgs Kallbadhus bleibt’s für uns jedoch bei einem Kaffee auf der malerischen Terrasse umgeben von Meer: Ein schöner Ort, der Wellness-Faktor ist auch ohne direkten Wasserkontakt spürbar.
Essen gehen in Malmö
Das kulinarische Potential von Skane potenziert sich noch einmal in Malmö. In direkter Schlagdistanz zum weltweit wohl bedeutendsten Genussort Kopenhagen (mit Noma und Geranium in einer Stadt), schickt sich Malmö an, seinem dänischen Nachbarn nachzueifern. Noch ist Malmö keine ausgewiesene Foodie-Destination, doch in der Szene tut sich etwas. Mit dem Vollmers (zwei Sterne) übt die Stadt bereits Anziehungskraft auf Feinschmecker aus. Restaurants wie Mineral, Namu und Mutantur bewegen sich mit Bib Gourmand Auszeichnungen ebenfalls in Schlagdistanz zum Sternesegment.
Restaurant Spill in Malmö
Wir besuchen an diesem Tag das Spill, ein Restaurant ohne Sterne-Ambitionen, dafür mit Sterne-Vergangenheit in Form des Gründers und einem Konzept, das den Fokus voll auf einen resourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln richtet. Ellinor Lindblom und Erik Andersson, die das Spill führen, waren vorher in führender Position bei Daniel Berlin tätig – also jenem Restaurant, das als eines der besten in ganz Skandinavien galt.
Das Konzept im Spill ist schnell erklärt: Erikssen lässt sich jeden Tag Lebensmittel liefern, die andere Restaurants zum Beispiel aufgrund optischer Mängel abgelehnt haben. So konfrontiert er sich selbst Tag für Tag mit der Herausforderung, aus dem „Catch of the day“ zwei Gerichte zu kreieren, die ein paar Stunden später für über Hundert Gäste serviert werden. Eine Karte gibt es nicht – nur jene zwei Optionen. Und eine Grundphilosophie, die den Nerv der Zeit trifft. Wir essen an diesem Tag einen fein abgeschmeckten Salat aus geschmorten Zucchini, gerösteten Trauben und anderen „geretteten“ Gemüsen mit einer Zitronenmayonnaise. Ein vielversprechender kulinarischer Start. Fernab von Haute Cuisine und doch mit einem ganz eigenen Charme.
Die Halbinsel Falsterbo
Etwa 25 Kilimeter südlich von Malmö liegt die Halbinsel Falsterbö. Sie bildet die Grenze zwischen der Ostsee und dem Öresund. Als ich aus dem Auto aussteige begrüßt mich ein Kaviar-Deckel vor dem Auto. Eine beschreibende Anekdote für eine sehr mondäne Insel, die trotz ihres offen zur Schau gestellten Reichtums ihren Charme behalten hat. Nicht zuletzt, weil sich zwischen schick gekleidete Insulaner dutzende camouflagefarben getarnte Vogelbeobachter mischen. Der Grund: Als letzte Festlandzunge vor dem offenen Meer versammeln bietet Falsterbo jedes Jahr Millionen von Vögeln einen letzten Rastplatz, um sich für den Vogelzug gen Süden vorzubereiten. Es ist ein Schauspiel, das wir leider nicht erleben, doch allein der Anblick von Hunderten Ornithologen, mit Fernrohren ausgestattet, ist ein kleines Highlight. Sie postieren sich entlang der großen Heidekraut-Flächen, die bei Sonne viel Thermik entwickeln und den Vögeln schnellen Auftrieb verleihen.
Kallbadhus Falsterbo
Am frühen Morgen besuchen wir das kleine und brandneue Kallbadhus in Falsterbo, das Architekt Nicholaus Hörlin in Anlehnung an die Kaltbadetradition der Region in den örtlichen Hafen integriert hat. Die Holzkonstruktion strahlt skandinavischen Purismus aus und wir dürfen zwei Stunden lang ein Wechselbad aus Saunawärme und Meereskühle genießen. Der Blick aus der Sauna richtet sich aufs offene Meer, durch eine getönte Scheibe. Draußen schwappt das 14 Grad kalte Salzwasser gegen die Holzplanken. Danach: Schweinehund überwinden und hinabsteigen – am besten nackt. Ich halte es etwa 15 Sekunden aus, dann lockt mich die Sauna zurück in ihre warmen Arme. Vorher bleibe ich noch ein paar Minuten auf dem Steg stehen und genieße die Morgenruhe. Die Meereskälte verwandelt sich in wohlige Wärme, trotz Außentemperaturen von 10 Grad. Das ist wohl die Faszination des Kaltbadens.
Photo Art Museum
Falsterbo zieht Menschen an, die sich Falsterbo leisten können und dort ihren Träumen nachgehen. Zu ihnen gehören auch Claes and Christina Lindquist. Sie haben auf der Halbinsel ein gigantisches Museum eröffnet, in dem sie ihre über Jahre hinweg gesammelte Fotokunst der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zur Zeit unseres Besuchs zeigen sie eine faszinierende Ausstellung über Modefotografie. Von den ersten Vogue-Covers über die die junge Naomi Campbell, Kate Moss bis hin zu ganz aktuellen Fotografien: Ein Museum, zu dem tatsächlich jede*r Zugang findet. Wer – wie wir – das Glück hat, Claes als Guide an der Seite zu haben, wir um Dutzende Anekdoten reicher das Museum verlassen.
Gut essen in Falsterbo
Wir essen zweimal in Falsterbo und beide Restaurants sind uneingeschränkt zu empfehlen.
- Das Restaurant des Photo Art Museums ist lichtdurchflutet, fast schon stereotyp skandinavisch eingerichtet und hat den Anspruch „der Kunst im Museum auf Augenhöhe zu begegnen,“ wie Claes Lindberg sagt. Das gelingt aus meiner Sicht, auch wenn die Preise gehoben sind – wie überall auf Falsterbo. Die Küche ist innovativ, mit punktuellen regionalen Einflüssen. Museumsrestaurants mit einem extrem hohen gastronomischen Niveau begenen uns in Skane immer wieder. Dieses hier ist für sich alleine ein Grund, ins Photo Art Museum zu kommen.
- Das Gasthaus Gastgifvaregard serviert traditionelle südschwedische Spezialitäten in klassisch gehaltenem Ambiente: gedämpftes Licht, dunkle Möbel, weiße Tischdecken. Wir genießen ein hervorragendes Kötbullar und Heilbutt in Hummersauce. Auch die Zimmer im Gasthaus bewegen sich auf einem sehr traditionellen und stilvollen Level.
Smygehuk Lighthouse Hostel
Unser nächster Übernachtungsstop führt uns nach Smygehuk – an den südlichsten Punkt Schwedens. Mick Daly und seine Frau Joanna starten hier gerade ein Projekt, das in den kommenden Jahren richtig Fahrt aufnehmen könnte. Basis und USP des Smygehuk Hostels ist aktuell der Leuchtturm mitten im Garten, den die beiden – neben den kleinen Holzhäusern, einfach mitgepachtet haben. Er lockt Touristen aus der ganzen Region an und ist Namensgeber für das Lighthouse Hostel. Doch beim begehbaren Leuchtturm soll es nicht bleiben.
Aktuell ist das Lighthouse Hostel ein etwas in die Jahre gekommenes Holzgebäude mit sehr pragmatisch (bis spartanisch) eingerichteten Zimmern. Mick will es möglichst zügig zu einem idyllischen Bed & Breakfast umrüsten und im großen Stammhaus ein Gourmet-Restaurant einbauen – mit sehr regionaler Ausrichtung. Als Gastronom hat er zuvor ein Restaurant im Weinberg geführt (ja, gibt’s in Schweden), jetzt soll der Leuchttum und sein Vorgarten mit neuem Glanz gefüllt werden. Schenkt man Micks Aussagen Glauben (und er klingt sehr glaubwürdig), ist Smygehuk spätestens in zwei Jahren ein Pflichtstop für Genießer.
Skaneleden rund um Dalby
Der Skaneleden ist ein Fernwanderweg epischen Ausmaßes. Das Streckennetz, das sich wie ein Spinnennetz durch Skane verästelt, hält über 1300 Kilometer Wegstrecken-Optionen bereit. Die schonische Landschaft ist geprägt von üppigen Weiden, kleinen Wäldern und Hügeln, die man in Bayern allerdings niemals Berge nennen würde. Hier findet man als wanderwütiger Sportler idyllische Tagestouren und begegnet dabei dem gemütlichen Spaziergänger, der nur ein Stündchen von Dorf zu Dorf schlendert. Unsere kleine Spazierwanderung hat ihren Einstiegspunkt am Trollskogsvägen Vresbokarna und führt am Rand des Naturreservats Skrylle nach Torna Hällestad. Zurück nehmen wir einen anderen Weg und erleben das Reservat einmal bei mystischem Nebel und dann bei goldenem Herbstlicht. Die Vegetation wechselt zwischen knorrig-verwunschenen „Zaubereichen“, Birkenhainen und Buchenwäldern. Dazwischen: Pilze ohne Ende. Ein wunderbarer Sonntagsspaziergang ohne sportive Ambitionen. Ein besonderes Highlight ist dabei die Mittagseinkehr bei Torna Hällestad Lanthandel.
Geheimtipp: Torna Hällestad Lantlandel
Und das ist wirklich mal ein richtiger Geheimtipp. Sogar der Besitzer fragt uns verdutzt: „Wie hat es euch Deutschen denn jetzt hierher verschlagen“? Dann setzt er sich zu uns und erzählt uns die Geschichte. Dem kleinen Dorf Torna Hällestadt fehlte über Jahre hinweg ein echter Dorfmittelpunkt mit Lebensmittelhandel. Deshalb schlossen sich ein paar Einheimische zusammen und gründeten zunächst einen kleinen Laden, der sich allerdings schnell weiter entwickelte. Heute ist Torna Hällestad Lanthandel ein Ort mit vielen (kulinarischen Facetten): Ein Supermarkt mit regionalen Produkten (zum Beispiel Pilzen aus der Zucht im Nachbardorf). Restaurant und Brunch-Café. Fleisch- und Wurstfachgeschäft. Und ganz wichtig: Eine Bäckerei allerhöchster Güteklasse.
Bäcker Anders zeigt uns seine Sauerteig-Ansätze im Keller und erzählt, wie er einst in Amerika das Sauerteigbacken lernte. Mittlerweile füllt er das gesamte Kellergeschoss mit seinem Brotduft und freut sich wie ein Kind darüber, dass er sich hier frei entfalten kann. Der Lanthandel ist ein Ort, den man wohl in keinem anderen Dorf dieser Größe finden wird. In der Großstadt wäre er ein Hotspot für Hipster und Genießer. Hier ist er ein etwas abgelegener Raum für Verwirklichung und hoch geschätzter Dorfmittelpunkt. Wir bleiben länger als gedacht, weil es so viel zu entdecken gibt.
Cityguide Lund
Lund, unser nächster Stopp, ist Universitätsstadt und – so sagt man – „kulturelles Zentrum von Skane“. Die Universität gehört zu den 100 angesehensten der Welt – 30% der Einwohner Lunds sind Studenten. Und wir erleben einen fulminanten Start, im Skissernas Museum.
Skissernas Museum Lund
Bereits das Photo Art Museum hatte mich in seinen Bann gezogen, doch das Skissernas Museum setzt mit seinem ersten Ausstellungsraum kurzerhand noch einen drauf. Unser Guide hatte uns schon vorgewart, „der erste Moment ist sehr beeindruckend.“ Und das spüren wir sofort. Wir treten ein in eine Halle mit geschätzt 15 Metern Deckenhöhe, die Wände extrem dicht behangen mit großrahmigen Kunstwerken. Das Gesamtbild und das Gesamtgefühl, das mich beim Betreten konfrontiert, ist vielleicht das größe Kunstwerk überhaupt. Ich bin baff.
Das Skissernas Museum zeigt fast ausschließlich Skizzen und Entwürfe von Kunstwerken. Solche, die ganz groß rauskamen und auch solche, die nie umgesetzt wurden. Statuen, Gemälde, Skulpturen – die Darstellungsweise ist heterogen. Was alle Exponate verbindet ist ihr unfertiger Zustand, in dem sie präsentiert werden. Bei manchen ist das offensichtlich, bei anderen absolut überraschend. Die Geschichten hinter den Entwürfen sind bereichernd, deshalb braucht es viel Zeit und definitiv einen Guide. Wir haben etwas zu wenig Zeit – und doch hallt die schiere Diversität der Ausstellungswerke noch eine ganze Zeit lang nach.
Stadtrundgang Lund
Lund ist eine malerische Stadt, deren schöne Ecken man allerdings ein wenig suchen muss. Hier ein paar Hinweise, wie man sie findet:
- Die Klostergatan ist die Schlemmermeile Lunds. Hier reihen sich Delikatessenläden an Bäckereien an Metzgereien an Chocolaterien. Die besten Kanelbullar gibt’s eventuell bei Bruder Jakobs, einer familiengeführten Bäckerei. Saftig und luftig gleichzeitig. Ich hatte bis dato immer behauptet, dass das nicht geht.
- Das Areal des Kulturen Museums zeigt südschwedische Häuser aus allen Epochen. Einige standen schon immer dort, andere wurden abgebaut und hier wieder errichtet. Hier kann man einen ganzen Tag verbringen und sich in die Historie vertiefen oder aber einfach gemütlich durch die Gässchen und Häuser schlendern – die Türen stehen offen.
- Rund um die Universität spürt man die Historie von Lund als Stadt des Wissens. Grüne Parkanlagen rahmen die Universitätsgebäude ein. Ein schöner Ort, um zu studieren. Schöne Menschen, schöne Stadt, viel Geschichte.
- Der Dom von Lund ist ein romanisches Gebäude aus dem Jahr 1104 und damit der älteste Dom Skandinaviens. Ein Kurzbesuch ist Pflicht, auch wegen der düsteren Katakomben und der astronomischen Uhr. Mich hat besonders das Lichtspiel am Mittag fasziniert.
Essen in Lund
Eines der besten Abendessen der Reise erleben wir bei Mat & Destillat, einer Bar mit stilvollem und rappelvollem Restaurant. Mein Elch-Sirloin mit Trompetenpfifferlingen und Topinambur ist akkurat gewürzt und perfekt gegart. Das Kalbsbries auf Blumenkohlmousse überzeugt mich ebenfalls. Und tatsächlich sprechen mich fast alle Gänge auf der Karte an, was selten passiert. Das Hagebuttensorbet zum Dessert drückt gut aus, wie hier lokale Verwurzelung und innovative Küche Hand in Hand gehen.
Pro-Tipp: Auch wenn das Grand Hotel und sein Restaurant immer wieder in Reiseführern angepriesen wird: Ich habe dort keine gute Erfahrung gemacht, weder mit der Küche, noch mit dem Service.
Kanufahren am Borgeby Slott
Etwa 15 Autominuten außerhalb von Lund liegt das Schloss Borgeby, an dem sich ein kleiner ruhiger Fluss entlangschlängelt. Bei Inhaber Max kann man sich Kanus mieten und den Fluss soweit man will und kann hinabpaddeln. Die Strömung ist minimal und die Landschaft idyllisch wenn auch sehr flach. Ein schöner Ausflugstipp für 2-3 Stunden.
Die Insel Ven in Skane
Die Insel Ven ist für mich die größte Entdeckung dieser Reise und ein Grund, bald nach Skane zurückzukommen. Sie liegt zwischen Dänemark und Schweden und zwar so, dass man an ihrer Nordpsitze den 270-Grad Blick an die Küsten beider Länder hat. Die Insel ist etwa 4 Kilometer lang und zwei Kilometer breit. Die Fähre legt in Landskrona ab und braucht etwa 30 Minuten zur Überfahrt. Soviel zu den harten Fakten. Ein paar weitere kommen hier:
- Die Insel ist von einem tiefen Meeresgraben umgeben. Dort ist das Wasser kälter als im Rest der Gegend und der Salzgehalt 3,7 mal so hoch. Das ist auch der Grund, warum sich dort eine eigene Kabeljau-Art aufhält, die sonst nur in der Ostsee vor der Küste Deutschlands zu finden ist.
- Die winzige Insel beheimatet Hunderte bis Tausende Fasane, unzählige Feldhasen und viele Rehe – und das obwohl es keinen richtigen Wald gibt. Die kleinen „Wäldchen“ reichen als Rückzugsort und die Tierpopulation wird durch gezielte Jagd auf einem konstanten Niveau gehalten.
- Ven hat ein eigenes Mikroklima. Das bedeutet: Die Durschschnittstemperatur ist etwa 1 Grad wärmer als am Festland, also etwa so wie in Mitteldeutschland. Insulaner erzählen: „Wenn es außenherum regnet, reißen über der Insel oft die Wolken auf und die Sonne scheint.“
- Mutmaßlich aufgrund dieses Klimas wird auf Ven Durum (Hartweizen/Semolina) angebaut. Der wächst eigentlich vor allem in Italien, der Anbau hat sich allerdings auf der Insel bewährt.
- Ven war lange Zeit dänisch, gehört aber seit 1660 zu Schweden
- In der Hochsaison bevölkern bis zu 5000 Touristen täglich die Insel. In der Nebensaison sind es vielleicht 200 und die Stimmung im Herbst ist wunderschön. Also: Besser abseits der klassischen Ferienzeiten hinreisen.
- Damit die Straßen der Insel mit möglichst wenigen Autos verstopft werden, hat die Kommune das Auto-Ticket für die halbstündige Fährfahrt preislich so hoch gesetzt, dass kaum ein Tourist in Betracht zieht, mit dem Auto überzusetzen. Das würde auch gar keinen Sinn ergeben, denn am besten erkundet man die Insel per Rad. Direkt oberhalb des Hafens steht eine Armada gelber Leihräder bereit.
- Der dänische Astronom Tycho Brahe hatte auf Ven seine Sternwarte, die heute als Museum erlebbar ist: Absolutes Pflichtprogramm, nicht nur für Weltall-Fans.
Kulinarischer Ven-Trip
Ven ist eine Mini-Insel mit enormem kulinarischem Potential. Auf den 8 Quadratkilometern haben sich Restaurants und Genusshandwerker angesiedelt, die Inseltraditionen und Innovationsstreben charmant vereinen.
Durum Bakery Hven
Hier backt Britta seit 20 Jahren Brote und kleine Naschereien aus Hartweizen, der verblüffenderweise auf der Insel gedeiht. Sie verkauft ihre Spezialitäten aus dem kleinen Fenster ihrer Backstube heraus und ist sichtlich stolz darauf eine Mehlart zu verbacken, die in diesen Breitengraden sonst niemand verwendet. Das besondere Inselklima machts möglich.
Spirit of Hven
Ven hat eine eigene Whisky-Destillerie, wo auch andere Destillate erzeugt werden. Und wenn man sich schon als Experte für Hochprozentige Alkoholika einen Namen macht, dann doch gleich auch mit spektakulärer Bar. Im Spirit of Hven können Whisky-Fans Hunderte Sorten verkosten, darunter natürlich auch die vor Ort gelagerten. Fun Fact: In ihren neuesten Experiment beschallen die Whiskymacher ihre Fässer über mehrere Jahre dauerhaft mit unterschiedlichen Musikstilen, um den Einfluss der Vibrationen auf die Aromenbildung zu untersuchen. Für Whiskyfans ist der Ort ein Mekka der Spirituosenvielfalt.
House of Ven
Für mich der Geheimtipp schlechthin: Das House of Ven. Lange Zeit war das Restaurant im Zentrum der Insel die Stammkneipe der Inselbewohner, mit einfachem Essen und allzeit offenen Türen für ein schnelles Bier. Nun hat Niels Mouritzen den Ort übernommen und unterzieht ihn einer behutsamen Erneuerung, was sich vor allem im gastronomischen Konzept niederschlägt. Statt Backfisch mit Remoulade hält die Karte nun regionales Fine Dining bereit, das sich so gut wie möglich auf Zutaten der Insel beschränkt. Mit Fasan, Reh, Hase, Kabeljau, Austern und Miesmuscheln bietet Ven hier eine atemberaubende Qualitätsbasis.
Die kulinarische Leitung der Küche hat Kathrin Baake übernommen, die zuvor im Bloom in the Park in Malmö einen Stern erkocht hat und nun Sterne-Stadtleben gegen Inselidylle getauscht hat. Wer auf Google nach „House of Ven“ sucht, wird sich bei der Bewertung mit 3,9 wundern, warum ich das House of Ven als Geheimtipp anpreise. Doch das ist schnell erklärt: Der Spagat zwischen Insel-Verwurzelung als ehemals beliebte Kneipe und dem neuen Weg in Richtung Haute Cuisine sorgt gerade bei Stammgästen für Irritation. Kathrins Küche ist spektakulär und fordert ein kulinarisches Grundverständnis, das die Backfisch-Fraktion möglicherweise enttäuscht und überfordert. Ich behaupte: Dieser Ort ist ein kleines, noch unentdecktes Juwel.
Camp Ven
Wer Ven in den Sommermonaten bereist, sollte wissen, dass man auf der Insel auch zelten kann. Und damit ist kein Outdoor-Abenteuer gemeint, sondern ein kleines Luxus-Erlebnis in einem der 8 Tipis des Camp Ven. „Glamping“ nennt sich das und verspricht einen Mix aus Open Air Feeling und hyggeligem Bettgefühl. Das Camp wird ebenfalls von Niels Mouritzen geführt, die Übernachtung ist nicht ganz günstig – dafür gibt’s Open-Air Feeling ohne Open-Air Sorgen und Meerblick obendrein.
The Edible Country in Skane
Schweden hostet seit drei Jahren eine der für mich spektakulärsten kulinarischen Kampagnen überhaupt – „The edible country“. Das Konzept: An 15 Orten in der schwedischen Natur sind Tische aufgestellt, an denen Genusserlebnisse buchbar sind. Immer unter der Prämisse, dass möglichst viele Zutaten selbst gesammelt und anschließend vor Ort zubereitet werden. So soll erlebbar werden, wie viele Genussprodukte die Natur des Landes hervorbringt. Seit ich vor zwei Jahren davon gelesen habe, will ich an einem dieser Events teilnehmen. Und auf Ven klappt das dann endlich.
Um es kurz zu machen: Es ist ein Nachmittag und Abend, der zu den Top 3 meiner kulinarischen Erlebnisse überhaupt zählt. Deshalb werde ich dem Verlauf dieses Tages noch einen eigenen Artikel widmen. In aller Kürze: Wir sammeln am Strand Wildkräuter, Beeren, wandern vorbei an Austern und Fasanen und stellen uns bei schönstem Insel-Abendlicht die Basiszutaten für unser Menü zusammen. Zubereitet wird es von Kathrin Baake – und zwar unter freiem Himmel mit Blick aufs Meer, ausschließlich am Holzkohlegrill. Die Gänge sind spektakulär, die Wein- und Saftbegleitung nicht minder aufregend. Wir sind in Decken gehüllt und von Schalen voll glühender Kohle umgeben, während die Sonne über dem dänischen Horizont untergeht. Ein unglaublich intensives Naturgenuss-Erlebnis. Buchbar sind diese Events über die Website von Visit Sweden.
Wallakra Keramikfabrik in Skane
Auf dem Rückweg von Ven in Richtung Malmö, am letzten Tag der Reise, machen wir noch Halt in der Keramikfabrik Wallakra. Sie liegt in einem kleinen, bewaldeten Tal in der gleichnamigen Ortschaft Vallakra. Die Tonvorkommen im Boden wurden dort einst von mehreren Keramikfabriken ausgebeutet, übrig ist heute nur noch das Unternehmen von Asa Ormell – eine der „begnadesten Töpferinnen des Landes“. Das erzählt uns ihre deutsche Auszubildende, mit der sie den Betrieb in einen Ort umgestaltet, der Geschichte transportieren soll. „Das Tal, die Technik, der Ton und die Menschen, alles ist hier miteinander verbunden“, erzählt sie. Asa ist eine gute Geschichtenerzählerin, sie führt uns einen Vormittag lang durch ihre beeindruckende Anlage.
Das Zentrum der Töpferei ist ein gigantischer Brennofen – ich bin beeindruckt von den Dimensionen des Backsteinbaus. Dreimal im Jahr wird der Ofen mit den getöpferten Werken der letzten 3-4 Monate gefüllt und dann mit Backsteinen und Lehm händisch zugemauert. Dann feuern Asa und ihr Team den Brennofen auf 1300 Grad und glasiert dort die Keramik mit Hilfe von Salz. Anschließend muss die Brennkammer für zwei Wochen auskühlen, bevor der Eingang wieder aufgebrochen wird. All die Details und Zusammenhänge des Brennvorgangs kann Asa extrem gut erklären.
Anschließend dürfen wir sogar selbst töpfern, unter Anleitung. Das Mittagslicht fällt schachtartig durch die tonbespritzten Fenster und schafft eine faszinierende Atmosphäre. Trotz sichtbarer Arbeitsspuren an allen Ecken, wirkt der Ort extrem aufgeräumt, klar und sauber. Es riecht nach feuchter Erde und man fühlt die Muse, die hier beim Töpfern entstehen kann. Wir tauchen die Hände in Wasser und formen einen Tonklumpen auf der Töpferscheibe zu einer Schale – ein regelrecht meditatives Arbeiten. Ich hatte die Fabrik ohne große Erwartungen betreten und gehe mit einem Kopf voll neuer Zusammenhänge. Ein absolut lohnenswerter Besuch.
Mein Fazit
Wir haben in diesen sechs Tagen vor allem den Süden von Skane gesehen. Zurück bleibt der Eindruck einer Region, die stolz ist, auf ihre Rolle als Kornkammer Schwedens und ihre handwerklichen Produkte zelebriert. All das allerdings nicht auf eine inszenierte Art und Weise, sondern im Alltag verankert und gelebt. Die Dichte hochklassiger Restaurants ist hoch, die Landschaft flach aber idyllisch und die Insel Ven ein neuer Sehnsuchtsort für mich. Herbst ist eine gute Zeit, nach Skane zu reisen, dann aber auf alle Fälle mit Jacke und ein paar wasserdichten Schuhen im Gepäck.