Risotto 2.0: Drei neue Erkenntnisse über die Kunst, das perfekte Risotto zu kochen

Ich habe in den vergangenen Jahren nie an meinem Risotto-Rezept gezweifelt. Es hat immer prächtig funktioniert, es hat mir geschmeckt und es erfüllte alle Ansprüche, die man so an ein Risotto stellt: Schlotzig war es, saftig und cremig und mit einem Rest-Knack im Inneren des Reiskorns. Um auch die Frage des einmal oder mehrfach Zuschüttens von Flüssigkeit zu beantworten: Ich war immer ein Verfechter des sukzessiven Zugießens von Brühe. Alleine in diesem Satz: „Sukzessives Zugießen von Brühe“ sind allerdings so viele Diskussionspunkte enthalten, dass ich in diesem Artikel Denkanstöße für neue Herangehensweisen an Risotti geben will. Es sind insgesamt drei Methoden und Effekte, die mir in den vergangenen Wochen zu Ohren gekommen sind und die ich interessant fand. Angewandt habe ich 2/3 Hinweisen übrigens in meinem letzten Zitronenrisotto mit Schwertfisch und Stracchiatella, das diesen Artikel bebildert. Das Rezept dazu gibt’s ganz unten. Jetzt aber etwas Risotto-Science.

Zitronenrisotto

1. „Koche dein Risotto niemals mit Brühe“

Ein Satz, wie ein Donnerhall. So gefallen im Gespräch mit Norbert Niederkofler bei den Miele Chef Stories in München, die ich als Host begleiten durfte. Ein Satz, der allem widerspricht, was sich bisher kulinarisch für mich manifestiert hatte. Egal ob Saucen, Dressings, Suppen, Eintöpfe, Risotto – mit Wasser aufzugießen war für mich ein No Go. Verschenkt man doch auf diesem Weg die Chance, geschmacksbringende Moleküle in sein Gericht einzubringen und es so zu verdichten und ihm Tiefe zu geben. Wasser schmeckt nach nichts. Und wenn man es reduziert intensiviert sich – richtig: Nichts.

Was man dabei allerdings außer Acht lässt ist die Tatsache, dass Wasser Aromen löst. Und dort, wo nur Wasser Geschmack freikocht, wird dieser Geschmack auch klar erkennbar. Und genau das ist auch das Argument von Norbert Niederkofler. „Ein Risotto soll auch den Geschmack des Reis‘ zur Geltung bringen,“ sagt er. „Und ganz pur die Aromen der geschmacksgebenden Zutaten.“ Und damit hat er einen Punkt: Zwar liefert eine Brühe als Basis eines Risottos eine gute Aromenbasis und viel Tiefe. Die sehr subtilen Aromen von Reis und anderen Aromaten gehen in einer kräftigen Brühe allerdings verloren. So schmecken Brühe-Risottos meist sehr kräftig und umamireich, jedoch oft sehr ähnlich. Der Grundgeschmack ist dann nämlich der, der Brühe.

Mein erster Versuch mit einem Zitronenrisotto, das ich nur mit Zitronenschale, einem Hauch Knoblauch und einem kurz durchgezogenen Rosmarinzweig aromatisiert habe, hat mir gezeigt: Ein mit Wasser gekochtes Risotto erlaubt ein viel subtileres Arbeiten mit dezenten Aromaten. Man darf nicht vergessen, dass ja auch noch Parmesan als Geschmacksträger dazu kommt. Auch da sollte man sich dann vorsichtig herantasten, um das mühevoll errichtete Aromenkonstrukt nicht à la Brühe einstürzen zu lassen. Ich bin auf alle Fälle angefixt: Das Risotto hat ohne Brühe nicht den Wumms, den man gewohnt ist, dafür aber deutlich mehr Eleganz und Komplexität.

Als kleine Einschränkung: Bei Risotti, deren Brühe bereits die Grundrichtung des Risottos in sich trägt (z.B. Steinpilzwasser oder ein Fond aus gekochten Spargelschalen beim Spargelrisotto) spricht für mich nichts gegen die Verwendung von aromatisiertem Wasser. Dieser Tipp richtet sich vielmehr gegen das Verwenden von generischeren Varianten à la Gemüsebrühe oder Fleischbrühe.

Risotto mit Zitrone

2. Reis bräunen – ohne Fett

Tipp zwei kam von Haubenkoch Hubert Wallner bei unserem Kochkurs am Wörthersee. Er beginnt des Kochprozess indem er den Reis (Sorte: Carnaroli) in einem Topf langsam und so lange ohne Fett erhitzt, dass die Reiskörner leicht gebräunt sind. Die Begründung habe ich nicht mehr im Kopf, aber ich habe versucht den Effekt logisch herzuleiten und gleichzeitig nochmal angefragt. Bei Antwort werde ich den Text hier ergänzen.

Mein Gefühl beim ersten Versuch: Es wird weniger Stärke freigesetzt, also weniger „Schlotzigkeit“ erzielt und der Reisgeschmack war ungewöhnlich präsent, speziell in Verbindung mit Tipp 1. Saftig war es, doch der Reis konnte nicht die gesamte Flüssigkeit als Mantel um sich halten, was man auch an dem kleinen „See“ unten im Teller sieht. Meine Theorie dazu: Die Reiskörner erhalten durch das starke Anrösten eine Art „Beschichtung“, die dazu führt, dass sie weniger schnell oder überhaupt die Stärke aus dem Inneres des Korns freigeben. Gleichzeitig sorgen Bräunungsreaktionen (siehe Maillard-Reaktion) ja immer für ein Plus an Tiefe und Intensität. Das würde für mich den erlebten aromatischen Effekt erklären. Schlussfolgerung wäre: Wer’s gerne besonders „reisig“ und gerne etwas weniger schlotzig mag, der sollte sich den Bräunungstrick zu eigen machen.

3. Risotto ohne Rühren – und was ist eigentlich „schlotzig“?

Ein dritter spannender Impuls kam von Stefan von Passion Kulinarik in seiner Antwort auf meine Instagram-Story zum Zitronenrisotto. Er kocht sein Risotto immer ohne zu Rühren, also: Komplett mit Flüssigkeit auffüllen und langsam köcheln lassen, bis der gesamte Reis die Flüssigkeit aufgenommen hat. Ich kenne den Ansatz, bislang war mir der Effekt aber nicht klar. Stefan begründet es so:

„Durch das komplette auffüllen mit Flüssigkeit und ohne Rühren, brechen die Reiskörner nicht, sie quellen auf und die Stärke wird nicht so stark „ausgespült“, wodurch es cremiger und nicht so schlotzig wird. Ich fand es geschmacklich besser, das Korn war von seinem Biss angenehmer, es war schön cremig und das Beste, es arbeitet alleine.“

Die Unterscheidung zwischen schlotzig und cremig finde ich spannend, weil beide Textureigenschaften sehr nahe beieinander liegen. Ich würde es so erklären: Ein Kartoffelpüree kann cremig sein, ohne schlotzig zu sein. Schlotzig wird es, wenn man Kartoffeln mit dem Stabmixer püriert. Schlotzig wäre demnach die etwas klebrige Form von cremig, die schon Fäden zieht – wie ein geschmolzener Käse. Der ist auch cremig, aber vor allem schlotzig. Schlotzigkeit beim Risotto hängt demnach entscheidend davon ab, wieviel Stärke freigesetzt wird. Und das lässt sich wohl durch die Frequenz des Rührens und die Vor-Behandlung des Reiskorns steuern.

Thema gereifter Reis

Bei meinem letzten Dreh für unser Perlensucher-Format (siehe Video hier oben) hat Stefan Spitzer ein wunderbares Bärlauch-Risotto zubereitet und dabei gereiften Acquarello-Reis verwendet. Wir haben diese Sorte Risotto-Reis schon mehrfach bei uns erwähnt, aber ich habe ihn noch nie bewusst gegessen. Acquarello ist eine Marke, die gealterten Carnaroli-Reis anbietet. Beschrieben wird der Reiz dieses Reises vom Hersteller wie folgt:

„Der rohe Reis wird mindestens für ein Jahr in Silos bei einer kontrollierten Temperatur von weniger als 15 ° Celsius gelagert. Die Stärke stabilisiert sich somit und verflüchtigt sich weniger während des Kochens, jedes einzelne Korn erhöht die Aufnahmefähigkeit von Gewürzen und Aromen. Nur etwa 1 % unseres Anbaus wird für die Lagerung von bis zu 7 Jahren verwendet, um ein Produkt für die anspruchsvollsten Küchen zu erschaffen. Der Keim ist mitunter der wichtigste Teil des Reises, da er die meisten Vitamine und Spurenelemente enthält. Während der Verarbeitung, wird der Keim vom Korn getrennt, aber dank eines patentierten Verfahrens von Acquerello wird er in der Verarbeitung wieder integriert. Nur so ist es möglich den Geschmack von weißem Reis mit den Nährstoffgehalt des Vollkornreises zu kombinieren.“

Was ich sagen kann: Das Risotto von Stefan Spitzer schmeckte vorzüglich – die Textur war in meinen Augen perfekt. Um die aromatischen Nuancen, die von Stefan beschrieben werden, herauszuschmecken, müsste ich den Reis einmal mit Tipp Nr.1 kombinieren. Das will ich beim nächsten Risotto testen.

Risotto Milanese
Risotto Milanese mit Knochenmark

Das Risotto richtig steuern

Ich finde alle vier Impulse extrem spannend, weil sie dabei helfen, ein Risotto noch differenzierter zu perfektionieren – innerhalb der Parameter Intensität, Klarheit und Textur. Ich bin mit meinen Versuchen noch nicht am Ende, weiß nun aber deutlich besser, wo ich ansetzen kann und wie ich mein Risotto in die gewünschte Richtung bewege.

Habt ihr weitere Tipps, um das Risotto-Game auf ein neues Level zu heben? ich freu‘ mich über Kommentare!

Zitonen-Risotto mit Stracchiatella und Schwertfisch

Mediterranes Risotto mit medium gegartem Schwertfisch und cremiger Stracchiatella
5 von 1 Bewertung

Zutaten
  

  • 200 Gramm Risotto-Reis (Carnaroli)
  • 600 ml Wasser
  • 100 ml guter Weißwein
  • 1 Bio-Zitrone
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Zweig Rosmarin
  • 50 Gramm Parmesan
  • 50 Gramm Butter
  • Olivenöl
  • Salz & Pfeffer
  • 300 Gramm Schwertfischsteak
  • 150 Gramm Stracchiatella

Anleitungen
 

  • 600ml Wasser in einem kleinen Topf erhitzen, damit es später zum Aufgießen bereit steht. Den Reis ohne Fett in einem größeren Topf bei mittlerer Hitze so lange anrösten, bis er eine leicht hellbraune Farbe annimmt. Dabei immer wieder rühren. In der Zwischenzeit Schalotten fein würfeln. Sobald der Reis gebräunt ist, mit Wein ablöschen und die Schalotten dazu geben. Bereits jetzt eine Prise Salz dazu geben.
  • Wasser in mehreren Etappen dazu geben und immer wieder rühren. Sobald der Reis nicht mehr mit Flüssigkeit bedeckt ist, wieder aufgießen. In diesem Rhythmus weiter verfahren, bis der Reis schon kurz vor perfekt gegart ist. Dazu immer wieder kosten.
  • Nun den Abrieb einer Zitrone, eine fein gehackte Knoblauchzehe und einen Zweig Rosmarin unterheben. Parmesan ebenfalls dazu geben und Hitze reduzieren. Nach weiteren drei Minuten die Hitze ausschalten und die Butter dazu geben. Mit Salz und Pfeffer final abschmecken.
  • Parallel dazu: Den Schwertfisch in einem hitzeresistenten Olivenöl von beiden Seiten etwa zwei Minuten relativ scharf anbraten. Er sollte in der Mitte noch roh bleiben. Mit Salz und Pfeffer würzen und in Tranchen schneiden.
  • Risotto auf einem Teller anrichten, Schwertfischtranchen darauf geben und etwas Stracchiatella dazu anrichten. Mit Salz, Pfeffer und etwas Olivenöl gewürzt servieren.
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Stefan Spitzer
2 Jahre zuvor

5 Sterne
Sehr spannende Ansätze. Und gleich beim ersten Satz „OHNE BRÜHE“ hat es mich getriggert 🙂 Das werde ich sicher demnächst ausprobieren.