Reichen sieben Tage aus, um ein Land zu verstehen? Nein. Doch sieben Tage in einer völlig neuen Umgebung reichen aus, um Bilder, die sich über Jahre hinweg in meinem Kopf angesammelt haben umzuwerfen, auszuradieren oder aber zu festigen und zu ergänzen. Israel ist ein Land, das in meinem Kopf bis vor zwei Monaten nur sehr schwache Konturen hatte – geprägt durch Medienberichte, öffentliche Debatten und nicht zuletzt die Geschichte Deutschlands und des Judentums. Kurzum: Israel war kein Land, das auf meiner Urlaubs-Agenda stand und vermutlich auch in den kommenden 10 Jahren nicht dort gelandet wäre. Umso dankbarer bin ich, dass ich im November ganz überraschend und kurzfristig nach Jerusalem zum OpenRestaurants-Festival eingeladen wurde.
Wenn ich heute an Israel denke, dann erscheinen in meinem Kopf Bilder der Altstadt Jerusalems. Bilder, in denen Juden, Christen und Muslime auf dem Platz vor der Klagemauer zusammenkommen und ihre Religion ganz offen zeigen – ein Ort, an dem Spiritualität spürbar wird, wie ich es selten zuvor erlebt habe. Ich denke an Bauten, wie ich sie aus Bibelfilmen kenne – an eine Szenerie, die aussieht wie ein Filmset und doch schon vor Tausenden von Jahren Schauplatz geschichtsträchtiger Ereignisse war. Ich denke an karge Steinwüste mit Hügeln, in denen graue Häuserteppiche hängen, wie Schwalbennester. An die Farben von Jerusalem, die sich auf grau, beige und grün beschränken und die Stadt zeitlos ehrwürdig erscheinen lassen.
Ich denke an das Gefühl, durch die Straßen Jerusalems zu gehen und mich sicher zu fühlen, als wäre ich in Deutschland. „Pass gut auf dich auf“ hatten meine Freunde und Verwandten beim Abschied gesagt. Ich muss hier nicht auf mich aufpassen – hier wird bereits auf mich aufgepasst. Soldaten, Polizisten und Sicherheitskontrollen sind Teil des Alltags. Ich nehme sie irgendwann nicht mehr wahr, doch sie hinterlassen bei mir im Unterbewusstsein kein beängstigendes, sondern ein sicherheitsstiftendes Gefühl.
Und dann denke ich an Essen – den Anlass unserer Reise. Natürlich an Falafel, Humus und Pita, doch auch an verrückte israelische Hausmannskost wie im Blue Rooster in Tel Aviv. Gnocchi mit Auberginencreme und Trüffeln. Ente mit Kirschsauce. Paté mit karamellisierten Karotten. Petersiliensalat mit Nüssen. Ich denke mit einem ambivalenten Gefühl zurück an traditionell jüdische Küche wie Nudelkuchen oder gefillter Fisch und bin dennoch dankbar, dass ich meinen Geschmackshorizont auch in diese Richtung erweitern konnte. Ich denke an den Mahane Yehouda Markt, das Epizentrum der kulinarischen Innovationskraft Jerusalems. Hier haben sich in den vergangenen Jahren viele kleine Feinschmeckereien angesiedelt. Neugierige Touristen mischen sich mit Einheimischen, beim Wocheneinkauf.
Es ist schwer, einen Eindruck des Landes und speziell von Jerusalem in Worten zu transportieren. Deshalb habe ich mit Amelie von kunterbuntweissblau einen 10-minütigen Film gedreht, der versucht, ein Gefühl für Stimmung, Landschaft, Kulinarik und Kultur in Israel zu wecken. Viel Spaß!