„Hexenei“ – ein Wort wie aus einem Märchen. Und um ehrlich zu sein: Es sieht auch genauso aus. Das ist die Geschichte einer absolut ungewöhlichen kulinarischen Entdeckung.
Der Herbstwald ist für mich ein faszinierender Ort. Seit etwa 25 Jahren streife ich ab Mitte August – so oft es geht – durch Tannen- und Laubwälder und seit etwa 25 Jahren lerne ich jedes Jahr neue Delikatessen kennen. In den deutschen Wäldern wächst eine derartige Vielfalt an Pilzen, dass man fast schon Vollzeit-Pilzsammer sein müsste, um jeden dieser Pilze zu erkennen und auf Giftigkeit und kulinarischen Wert einordnen zu können. Da ich es pro Jahr maximal 10 mal zum Pilzesammeln schaffe, habe ich dieses Endstadium der Expertise (noch) nicht erlangt. Und um ehrlich zu sein: Ich finde es auch nicht erstrebenswert. Denn so wage ich mich jedes Jahr an 2-3 neue Pilzarten heran und es bleibt weiterhin Potential für spektakuläre Neuentdeckungen.
Was ist ein Hexenei?
Und da wären wir beim Stichwort. Vom Hexenei habe ich schon in meiner Kindhei gehört und es immer wieder fasziniert in meinem Jugend-Pilzbestimmungsbuch betrachtet. Das Hexenei ist das Jungstadium der Stinkmorchel. Bevor sich der Pilz der Länge nach entfaltet, wächst er als Knolle heran, die von einer gallertartigen Masse umgeben ist, die wiederum von einer weißen Haut überzogen ist. Durch einen Myzelstrang, der wie eine Wurzel aussieht, ist das Hexenei mit dem Myzelgeflecht im Boden verbunden.
Was ist eine Stinkmorchel?
Die Tatsache, dass dieses faszinierende Gebilde auf dem Waldboden als Hexenei bezeichnet wird, soll nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es bereits in diesem Stadium ein Pilz der Gattung Stinkmorchel ist. Nur stinkt der Pilz in diesem jungen Stadium noch nicht. Ausgewachsene Exemplare der Stinkmorcheln versprühen einen aas-artigen Geruch, der viele Meter entfernt noch wahrzunehmen ist. Die dickflüssige Sporenmasse, die den Hut im reifen Stadium umgibt, zieht durch ihren Geruch Fliegen an, die die Sporen verbreiten. Ein ausgefeilter Fortpflanzungsmechanismus. Genau genommen ist die Stinkmorchel aber keine Morchel sondern gehört zu den Ständerpilzen. Wer jetzt schon – in Verbindung mit dem Anblick einer Stinkmorchel schelmisch lachen muss, der wird auch den lateinischen Fachterminus für diesen Pilz amüsant finden: Phallus Impudicus – übersetzt: Schamloser Penis.
Ist ein Hexenei essbar?
Ja, das Hexenei ist essbar – und eine Delikatesse obendrein, sonst würde ich hier nicht darüber schreiben. Ich wusste das schon immer, doch eine Chance, das zu verifizieren, ergab sich nie – denn noch nie habe ich eine Stinkmorchel im Jungstadium in natura gesehen. Ältere Exemplare sieht (und riecht) man relativ häufig, doch Hexeneier sind unscheinbar und haben zudem nur ein paar Tage Bestand. Ein Glückspilz, wer diesen Ausnahmepilz findet. Und so ein Glückspilz war ich in diesem Jahr. In einem Waldstück, das bereits durch seinen Geruch auf die Anwesenheit von einigen Stinkmorcheln schließen ließ, entdeckte ich – halb in der Erde vergraben – drei dieser seltenen Hexeneier. Sie sehen ein wenig aus wie ein schmutziges Hühnerei und fühlen sich an wie eine hochreife Tomate. Prall, aber auch fragil – so, als ob sie jederzeit platzen könnten.
Wie schmeckt ein Hexenei?
Hexeneier soll man sogar roh essen können, besagen Internetquellen – doch ich mag Pilze lieber angebraten, so entfalten sie ihr volles Aroma besser. Um das Hexenei zuzubereiten, entfernt man die weiße Außenhaut, die bräunliche Gallertmasse und die braungrüne Schicht darunter. Der weiße Kern des Hexeneis, der sehr kompakt und schnittfest ist, ist das Ziel der Operation am offenen Ei. Zugegeben: Eine opulente Mahlzeit wird da nicht draus, doch der Geschmack des Hexeneis ist so besonders, dass es sich definitiv lohnt. Vorausgesetzt, man hat Spaß an ungewöhnlichen kulinarischen Entdeckungen. Ein gebratenes Hexenei schmeckt mild und kaum nach dem, was man gerne als „pilzig“ beschreibt. Es erinnert im Aroma ganz leicht an Rettich mit dezenter Süße und hat die Erdigkeit von Pastinake. Ein runder, angenehmer und einzigartiger Geschmack. Die Konsistenz ähnelt der von eingelegten Bambussprossen. Zubereitungstipp: Ganz einfach in dünne Scheiben schneiden, in Butter goldbraun abraten und nur mit etwas Meersalz bestreut genießen.
Alle Angaben zu Pilzen in diesem Blog sind ohne Gewähr. Konsum auf eigene Gefahr. Bei Unsicherheit immer bei einer Pilz-Beratungsstelle um Rat fragen.
Pilze selbst züchten
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Empfehlungen
Wie immer wenn es um Pilze geht, gilt: Nachschlagen, von Experten überprüfen lassen und essen auf eigene Gefahr!
Grundsätzlich solltet ihr euch auf jeden Fall ein gutes Bestimmungsbuch zulegen. Damit könnt ihr schon so einiges selber identifizieren und lernt auf jeden Fall immer einen Menge dazu. Wir empfehlen dieses Pilz-Bestimmungsbuch für den Einstieg in die Welt der Pilze und ihr könnt es bequem mit in den Wald nehmen.
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Weitere kuriose Pilze
Als begeisterte Pilzesammler haben wir letztes Jahr das Glück gehabt, uns noch durch weitere kuriose Pilze probieren zu können:
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Hallöchen
Sehr interessanter Artikel.
Aber wusstest Du das man die grüne Schicht mit essen kann😊
Wenn du sie in Ringe schneidest sehen sie zudem farblich ganz toll aus 🙃
LG Gabi🌞